Elektromobilität – Warum gibt es eigentlich kein Akku-Wechselkonzept?

Jan Fleischhauers Artikel im Spiegel „Der Wohlstand und seine Feinde – Wie man eine Volkswirtschaft ruiniert“ erinnert mich daran, dass ich seit längerem eine Frage zur Automobil- und Zuliefererindustrie stellen wollte:

Warum gibt es eigentlich keine Wechselbatterienorm für Elektroautos?

Gleichzeitig sehe ich in aktuellen Diskussionen (auch, aber nicht nur am Beispiel Fleischhauers) einige Denkfehler, naturwissenschaftlich wie ökonomisch.
Seine Kritik an der Diesel-Kritik z.B. fußt auf einer nicht zielführenden Vermischung verschiedener Parameter, auf die ich gar nicht länger eingehen will*.
Es geht ihm aber wohl mehr um die Grünen (gemäß der Überschrift „die Feinde“) als um den Ruin der Volkswirtschaft, bzw. Auswege daraus.

Wie der von mir ansonsten wegen seiner Sticheleien an den richtigen Stellen geschätzte Autor weise ich aber zuerst noch einmal auf die Bedeutung des Wirtschaftszweigs hin:
Dass Deutschland ein Autobauer  und -fahrerland ist und eine schöne Autobahn hat, auf der heilige Kühe (g)rasen, bedingt, dass es auch einer der größten Arbeitgeber im Lande ist. Das beinhaltet nicht nur die Autobauer und deren Produktionsangestellten an sich, sondern auch die Maschinenbauer und Dienstleister, die Komponenten zuliefern und entwickeln. Und auch die Händler, die nur noch über den Service i.S. von Öl- und Reifenwechseln ernsthaften Gewinn generieren können.

Wir reden also von strukturellen Veränderungen, die auf uns zukommen, sobald in diesem Spektrum einiges wegfallen wird. Ich schreibe das bewusst im Futur und nicht Konjunktiv.

Das BMWi schreibt selbst:

Die Unternehmen der Branche erwirtschaften einen Umsatz von über 404 Mrd. Euro und beschäftigen direkt über 790.000 Personen (2015, vorläufig). Die Automobilindustrie hat daher eine sehr hohe Bedeutung für Wohlstand und Beschäftigung in Deutschland.

Die Wertschöpfungskette in der Automobilindustrie ist sehr stark ausdifferenziert. Die Fahrzeugfertigung erfordert den Zukauf von Teilen … u. a. aus der chemischen Industrie, der Textilindustrie, dem Maschinenbau, der elektrotechnischen Industrie sowie der Stahl- und Aluminiumindustrie. Außerdem sind Ingenieurbüros, Autohändler, Werkstätten und Tankstellen, aber auch weitere Dienstleistungen rund um das Auto direkt oder indirekt von der Automobilkonjunktur abhängig.

Mit der verstärkten Arbeitsteilung und der Nachfrage nach Vorleistungen erwirtschaften die vorrangig mittelständisch geprägten Zulieferer mittlerweile einen Großteil der Wertschöpfung (etwa 70 Prozent) der Automobilindustrie in Deutschland.

Und auch die EU spricht von einem „key EU employer“ mit „multiplier effect“ für die Wirtschaft.

Dass es zwar ein Konzept namens „Gear 2030“ zu geben scheint, was diese wichtige Branche auf die Zukunft vorbereiten soll, heißt allerdings nicht unbedingt, dass auch wirklich etwas passiert. Erste Verlautbarungen klingen in meinen Ohren nur schwammig und beschwichtigend.

Angesichts des diskutierten Verbots von Verbrennungsmotoren in Neuwagen ab 2030 zeigt sich aber bereits jetzt relativ schnell, wie die Fronten verlaufen. Wer das Dieselbashing aufgrund des Abgasskandals gerechtfertigt sieht und wer es als Propaganda empfindet*. (Eine interessante Sicht der europäischen Diesel-„Liebe“  findet sich bei Vox.com).

Aufhänger (vgl. Stuttgarter Zeitung) war zuletzt eine Initiative der Grünen – auf die sich Fleischhauer auch gerne einschießt:

Der Grünen-Bundesvorstand dringt in einem Antrag für den Parteitag im November darauf, von 2030 an keine Autos mit Benzin- oder Dieselmotoren mehr neu zuzulassen. In einer über das Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“ bekannt gewordenen, parteiübergreifend beschlossenen Stellungnahme des Bundesrates wird die EU-Kommission außerdem gebeten zu prüfen, wie sich die bisherigen Steuer- und Abgabenpraktiken der EU-Mitgliedsstaaten auf die Förderung lärmarmer und abgasfreier Mobilität auswirken. Auf dieser Basis sollen Vorschläge unterbreitet werden, „damit spätestens ab dem Jahr 2030 unionsweit nur noch emissionsfreie Pkw zugelassen werden“.

Er schreibt dazu: „Spätestens 2030 soll der Hammer fallen, dann sollen in Deutschland nur noch Elektroautos zugelassen werden. Mit denen kann man auch Geld verdienen, aber deutlich weniger.“

Und genau hier möchte ich entgegnen: es gibt sehr wohl wirtschaftliche Gründe aus deutscher Sicht für eine schnelle Wende in Richtung Elektromobilität.
Und Profit und Umsatz sind bekanntermaßen zwei unterschiedliche Kennzahlen.

Mit „Geld verdienen“ meint er somit wohl hauptsächlich diejenigen, die in der Motorproduktion beschäftigt sind. Es wird also eine Veränderung für Hunderttausende Arbeitnehmer geben, weniger für die Autohersteller, gewinnseitig.
Deutlich geringere Kosten in der Motorentwicklung, im Motorenbau, in der Garantiezeit stehen für diese zu Buche. Zur Batterieproblematik komme ich gleich.

So steht zu allererst die komplette Zuliefererindustrie auf dem Spiel. Irgendwann TM wird niemand mehr Nockenwellen, Öldruckleitungen, Ansaugtrakte, Zylinderköpfe und -dichtungen benötigen. Ölwechsel sowieso nicht, das servicseitige Brot- und Kundenpflegegeschäft der Werkstätten. Ein Problem, welches man offensiv angehen sollte, nicht abwartend, zögerlich.

Dass sich dies auch rein technisch nicht aufhalten lassen wird, liegt schlicht daran – wie Fleischhauer richtig schreibt-, dass Elektromotoren im Vergleich zu Verbrennern technisch simpler nicht sein könnten.
Es ist keine Frage der Thermodynamik mehr, wie effizient das Triebwerk arbeitet. Oder ob es auseinanderfliegt. Es arbeitet, sobald der Strom fließt. Gleichbleibend, wartungsarm, prinzipiell kaum kaputtbar. Eine Signatur des Motoreningenieurs auf dem Motorblock (leider) unnötig.
Über die Stromerzeugung mache ich mir – im Gegensatz zur Batterie – bewusst keine Gedanken, das sind sekundäre Fragen und aktuell weniger marktrelevant.

Darum geht es nämlich: Was will eigentlich der Markt? Und wie könnte Deutschland im Markt weiterhin erfolgreich sein?
Meiner Meinung nach will ein Auto-Käufer möglichst schnell und lässig von A nach B kommen. Und was ist besser als Pferde? Schnellere Pferde. Und gesündere, sprich langlebigere.
Spielraumbegrenzend ist für den Durchschnitts-Käufer alleine der Anschaffungspreis…und die Unterhaltskosten. Ein großer Schlitten muss schließlich auch technisch gewartet werden. Mal von Reifen, Sprit, etc. abgesehen. (Und von der Autoförderung über die Absetzbarkeit des Leasingmodells für Heere von Außendienstlern).
Der wahre Geldfresser in dem Zusammenhang ist aber zu allererst: Wertverlust durch Unterstellung verringerter Haltbarkeit. Die sich in 90% der Fälle um den Motor dreht und drehte. Die Angst vorm Motorschaden, ob bald nur noch der Resteverkauf lohnt.
Ebenso natürlich wie die Wartungskosten bei Zahnriemen, Steuerketten, Getriebewechseln horrend werden können, wenn man aus Designgründen keine Bauteile leichterhand erreichen kann.

Autos auf E-Motoren umzurüsten, würde sich daher aus vielerlei Sicht anbieten – wenn ich davon ausgehe, dass es zumindest in naher Zukunft überhaupt noch relevante Käuferzahlen geben wird. Die Alternative kann ja auch darin bestehen, dass Mobilität durch eine deutlich geringere Zahl selbstfahrender, per App bestellbarer Noname-Boxen gewährleistet werden könnte, die jeden für ein paar Cent dorthinbringen, wohin er möchte.

Was verhindert nun aber mittelfristig, dass deutsche Autobauer das Ruder rumreißen und ihre geballte Ingenieurspower nur noch auf auf die besten Hüllen und Fahrwerke und Steuerelektronik richten, statt sie in der Motorenentwicklung zu verbraten?

Wo könnte ein Chance für Deutschland als Industriestandort liegen? (Im Sinne neuer Technik und Dienstleistungen)

Mein Vorschlag ist als jemand, der mal im Bereich Bio-Brennstoffzellen geforscht hat: hört auf, niedrige Energiedichte, Batterietechnik und Reichweite als Argument zu nutzen, den E-Motor zu verhindern!

Nehmt das, was bereits vorhanden ist und überlegt, welche Infrastruktur nötig wäre, um den Schalter in kurzer Zeit umzulegen. Sprich eine flächendeckende Versorgung mit Wechselbatterien zu ermöglichen.
Damit wäre man nämlich weg vom Reichweiten- und Haltbarkeitsproblem und Hersteller könnten in spätestens 5 Jahren bereits fröhlich Elektroautos genauso produzieren, wie sie heute Verbrenner auf den Markt bringen.

Nur eben billiger und weniger wartungsanfällig. Alle Batterie- und Ladeprobleme hätte man durch die flächendeckende Versorgung abgepuffert.
Und mit der Chance, die weltweite Entwicklung mitzusteuern und möglicherweise den Industriestandard rund um ein Wechselmodell mitzugestalten.
Ingenieurs-Knowhow könnte in die Etablierung der entsprechenden neuartigen „Tankstellen“ fließen, inklusive der nötigen Elektrotechnik und Mechanik.

Innovation liegt nicht darin, das Rad neu zu erfinden. Oft ist es nur ein Nutzungsproblem bestehender Technik. Und eine Frage, wie man das Problem in größerem Maßstab durchdiskutiert.

Ich weiß, dass Tesla das Wechselbatteriekonzept für sich als „Kleinserien„-Hersteller verworfen hat. Und auch die Mobilegeeks haben sich dieser Frage inhaltlich genähert und das Wechselkonzept verworfen.

Dass man für die flächendeckende Versorgung von mind. 10 Millionen Fahrzeugen eine Menge Batterien bräuchte (ca. Faktor 1,2 gg.über der festeingebauten Variante – herstellen muss man sie also so oder so), heißt nicht, dass es sich nicht umsetzen lässt – und es sich volkswirtschaftlich auszahlt. Das Argument, dass Hersteller an den Batterien verdienen wollen, halte ich für nicht stichhaltig. Es könnte ja einen Herstellerpool geben, der je nach Nutzung an die Autohersteller zahlt.
Warum überlegt daher unsere politische „Führung“ im Verkehrsministerium nicht mal ernsthaft, was man mit über 50 Milliarden aus verkehrsnahen Steuereinnahmen denn anfangen könnte? In den Verkehr zurück fließen schließlich nur ca. 10%.

Dass es in dem Zusammenhang viele unterschiedliche Szenarien gibt und man die bestehende staatliche Förderung alter Technik besser einsetzen könnte – das ist für mich eine Frage des gesunden Menschenverstandes.

Aber: Vorreiterschaft kann man fördern. Eine Techniknorm wie bei elektronischen Consumer-Medien würde einen Markt schaffen, der noch gar nicht exisitiert.

Ob sich eine Wechselnorm auf die komplette Einheit oder nur auf Zusatzbatterien beziehen würde. Ob und wie man die Nutzung der Batterien und des Stroms abrechnen sollte. Ob man geförderte Windräder in die Nähe geförderter Stromtanken setzt – oder vice versa. Etc. pp.
Alles Fragen, die man in dem Zusammenhang klären könnte. (Produktion und Verfügbarkeit der Batterien sind ja leider bereits in der Beantwortung durch z.B. Tesla).

Wäre D ein Vorreiter in dieser Frage – wäre es zumindest mal ein proaktiver Umgang mit dem Unvermeidlichen. Klassischer Fall, das Problem als Chance zu betrachten.
Deutschland, Autoland – wie Phoenix aus der Rußwolke?

 

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Zur Fleischhauers Kritik an US-Anti-Smog-Politik: Stickoxide sind da eben allein relevant und haben wenig mit dem Verbrauch an sich zu tun, bzw. liegen bei hohen Verbräuchen sogar niedriger, aufgrund des geringeren Sauerstoffanteils.

Auch wenn ich nicht naiv bin, was die Ungereimtheiten um das „Aufdecken“ des Abgas-Skandals bin. Im ICCT-Test wurde weiland evtl. bewusst der US-Producer (BMW Spartanburg / South Carolina) gg.über dem Importeur geschont. Ein BMW X5 mit 3 Liter-Motor im Vergleich mit 2 VW Dieseln mit spärlichen 2 Litern – das stinkt. (Da Stickoxide ein Lastproblem bei gleichem Streckenprofil sind. Ein sehr guter Blogartikel zum technischen Problem findet sich hier.)
Dass nach dem Test rauskam, dass VW betrogen hat – nun, besser hätte es nicht laufen können, falls jemand den Diesel als Technik abwürgen wollte.